Tantra: Bedeutung und Ursprung

Das Thema Tantra wird von vielen Menschen zunächst mit einigen Vorurteilen und nicht selten mit einem falschen Bild betrachtet, da bestimmte Praktiken, z.B. aus dem roten Tantra, im Westen sehr stark im Vordergrund stehen und in einigen Kreisen missbräuchlich verwendet und weitergegeben werden. Tantra ist jedoch ein uraltes und hochgradig philosophisches System mit verschiedenen Strömungen und birgt viele spannende Erkenntnisse - worum es im Tantra wirklich geht, verraten wir dir in diesem Blogbeitrag. 

Tantra: Mudras sind Teil des Tantrismus

Was ist Tantra?

Wie alt Tantra in Wirklichkeit ist, das weiß man bis heute nicht. Jedoch finden sich die ersten Ursprünge des Tantra bereits im Hinduismus und im Buddhismus. Die frühen Anfänge des Tantra finden sich zwar schon im 2. Jahrhundert, aber seine vollständige Entwicklung geht auf das 8. Jahrhundert zurück. 
Das Wort Tantra kommt von der Sanskrit-Wurzel "tan", was "sich ausdehnen" oder "sich ausbreiten" bedeutet, und "tra", was "Instrument" bedeutet. Daher bedeutet Tantra wörtlich das "Instrument zur Erweiterung" der Bewusstseinsebene vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen, mit Selbstverwirklichung, dem Erkennen der höchsten Wahrheit, als letztem Ziel. Tantra bedeutet auch "Webstuhl" oder "Weben", was mit der Tatsache zusammenhängt, dass Tantra lehrt, dass das Universum ein Netz ist, in dem alles miteinander verbunden ist und zusammenhängt. Obwohl das Wort Tantra viele Bedeutungen hat, besitzt jede seine eigene Nuance, je nach Kontext, seine wichtigste Definition: Es ist ein Instrument, ein Weg zur Erweiterung der Bewusstseinsebene.
 Tantra sieht das Universum als ein Zusammenspiel von Bewusstsein (Shiva) und göttlicher Energie (Shakti) an, beides sind göttliche Prinzipien, die jedoch in Wahrheit dasselbe sind. Das Ziel ist, zum höchsten Bewusstsein der Einheit zu kommen. Um sich diesen höheren Bewusstseinsebenen zu öffnen, nutzt man im Tantra viele Praktiken aus dem Kundalini-Yoga (dem Yoga der Energien) z.B., Asanas, bestimmte Pranayama-Techniken, Halten von Mudras (Handgesten) und Bandhas (Energie Verschlüsse im Körper) und die Konzentration auf die Chakras. 

Mit diesen Praktiken soll die schlafende Kundalini-Energie, welche in Form einer eingerollten Schlange im Bereich des Wurzelchakras in jedem Menschen schlummert, erweckt werden und den Menschen für die höhere Wahrheit öffnen. 

Unterschied von Tantra zu den klassischen Philosophiesystemen des Yoga 

Im philosophischen und praktischen System des Tantra, gibt es keine einzige Sache, die existiert, welche nicht als “göttlich” angesehen wird.
Dies ist die Quintessenz der tantrischen Philosophie. Alle Aspekte des Tantra haben ihre Wurzeln in dieser Vision. 
Während es in den klassischen yogischen Philosophiesystemen eher darum geht, sich durch regelmäßiges Sadhana (spirituelle Praxis) mehr und mehr von menschlichen Anhaftungen zu lösen und so die Reinheit des Geistes und schließlich die Erleuchtung zu erlangen, bildet der Tantrismus einen Gegenpol: Um die höchste Wirklichkeit zu erfahren, werden alle Erfahrungen einbezogen, emotionale wie intellektuelle und auch die Sinnesempfindungen. Jede Erfahrung, die man auf seinem Lebensweg macht, ist eine Chance, aus der Illusion der Welt zu erwachen. So kann man seine Gefühle achtsam beobachten und sie reflektieren, erkennen welche Weisheit sich dahinter verbirgt. Kein Bereich des menschlichen Lebens wird im Tantrismus ausgegrenzt, wie z.B., Sexualität und Sinnlichkeit. Und obwohl vor allem die Praktiken zur heilsamen Erweckung der Sexualenergie heutzutage mehr im Vordergrund stehen, bilden sie nicht den Kernpunkt des Tantra. 

Im Tantra gilt der menschliche Körper nicht als die physische Hülle, in der man Leid und Schmerz erfährt, sondern wird als ein Tempel des Göttlichen betrachtet. Die Tantra-Lehre bezieht den Körper bewusst mit ein, anstatt ihn dauerhaft transzendieren zu wollen. Yogische Praktiken sollen dir dabei helfen, in einen heilsamen Kontakt mit dir in deiner vollkommenen Ganzheit in Verbindung zu treten, um dich dann so anschließend für die universelle Kraft des Kosmos zu öffnen. 

„Tantra sagt, nimm dich an wie du bist. Du bist ein großes Mysterium aus vielen mehrdimensionalen Energien. Nimm das an, und folge jeder Energie mit viel Sensibilität, mit Bewusstheit, mit Liebe, mit Verständnis. Bewege dich mit ihr! Dann wird jeder Wunsch zu einem Trittbrett, über ihn hinaus zu gehen. Dann wird jede Energie zu einer Hilfe. Und dann ist diese Welt das Nirwana, dann ist dieser Körper ein Tempel – ein heiliger Tempel, ein heiliger Platz.” - Osho 

Die 3 Arten von Tantra

Weißes Tantra

Im weißen Tantra geht es vor allem um die Reinigung des Unterbewussten. In unserem Unterbewusstsein liegen viele Themen verborgen, welche für unser Leben und unseren spirituellen Pfad hinderlich sein können. Durch eine spirituelle Praxis und yogische Übungen (ähnlich wie im Kundalini-Yoga) werden diese Aspekte des Selbst beleuchtet und dürfen bereinigt werden. Somit stellen wir den Fluss der universellen Energie in uns selbst wieder her. Weißes Tantra kann sehr rituell praktiziert werden, mit verschiedenen Zeremonien oder sogar Pilgerreisen, aber auch ohne aufwendige Rituale ist weißes Tantra ein spiritueller Pfad, welcher der Selbsterkenntnis dient. 


Rotes Tantra

Die Aktivierung der Chakren und die Bewusstseinserweiterung, so dass die Energie von Kundalini - Shakti aufsteigen kann, werden im Roten Tantra durch sexuelle Tantraübungen hervorgerufen. Im roten Tantra wird die Sexualität als ein heiliges Ritual zwischen 2 Menschen praktiziert. Dabei ist ein achtsamer, wertschätzender und respektvoller Umgang die Grundlage, um in die Praktiken des roten Tantra einzutauchen. 

Schwarzes Tantra

Im schwarzen Tantra geht es um die Manipulation und Kontrolle von Menschen für die eigenen Zwecke. Das schwarze Tantra wird aus diesem Grund auch der schwarzen Magie zugeteilt, da das höchste Ziel die eigene Machtposition ist. Hierfür werden bestimmte Rituale durchgeführt und Yantras rezitiert, um egoistische Zwecke zu verwirklichen. 

Neben den 3 verschiedenen Arten von Tantra gibt es auch einige Strömungen, in denen verschiedene Gottheiten verehrt werden.

Fazit: 

Die Tantra-Lehre ist viel umfangreicher und komplexer, als wir es hier in einem Blogbeitrag darstellen können. Grundsätzlich kann man sagen, dass im Tantra jedem Menschen viel Freiraum für die eigene Erfahrung und Entfaltung gelassen wird. Die Anwendung von sexuellen Praktiken ist, je nach Strömung, kein Muss und ein wesentlicher Teil sind Yoga-Kriyas (yogische Reinigungsübungen) und andere spirituelle und energetische Praktiken. Tantra könnte sogar eher in der breiten Masse Anklang finden, als andere Traditionen aus dem Yoga. Denn Tantra fordert nicht auf, unser menschliches Leben mit all seinen Empfindungen zu überwinden und allem zu entsagen, es lädt uns ein, unsere Erfahrungen bewusst auszuleben und anzunehmen. 


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